Zu Gast in der Favela

Zu Gast in der Favela

Während der Weltmeisterschaft sind unzählige NGOs, Hilfsorganisationen und soziale Projekte in Brasilien vertreten. Die Bühne des Fußballs ist ideal um Aufmerksamkeit zu erregen und seine zentralen Themen anzusprechen. Eine der Organisationen, die die WM nicht nur als Projektionsfläche benutzt, sondern den Fußball ins Zentrum ihres Schaffens gestellt hat, ist Football Beyond Borders aus London. Sie wurde von mehreren Studenten an der SOAS University gegründet und hat mittlerweile schon in vier Ländern erfolgreich Projekte verwirklicht. Ihr Ziel sei es, die Kraft des Fußballs zu nutzen, um jungen Menschen in benachteiligten Regionen Ziele im Leben zu vermitteln und ihnen zu zeigen, dass auch ihre Stimme gehört wird.

Während der WM ist Football Beyond Borders in Salvador da Bahia, der drittgrößten Stadt Brasiliens, mit zwei Projekten vertreten.

Zum einen fand vergangenen Sonntag der »Favela World Cup« statt, bei dem Einheimische gemeinsam mit internationalen Besuchern Fußball gespielt haben. Und zum anderen können die Touristen auch zu fairen Preisen bei Favela-Bewohnern unterkommen – auf Vermittlung von Football Beyond Borders.

ecke:sócrates hat mit Jasper Schlump, »Head of Sponsorship« bei Football Beyond Borders und Teilnehmer des Turniers, gesprochen.

(Salvador)

ecke: Wie kamt ihr auf die Idee einen Favela World Cup zu veranstalten und was ist das Ziel dahinter?

Jasper Schlump: Die Weltmeisterschaft kann man neben den Olympischen Spielen als größtes globales Sportereignis betrachten. Hier in Brasilien sind jedoch vor allem die ärmeren Leute nicht wirklich eingeladen. Dies haben wir von Football Beyond Borders versucht zu ändern, indem drei Mitglieder unserer Organisation über ein halbes Jahr hinweg in einer Favela in Salvador Vertrauen und Kontakte hergestellt haben um schlussendlich einem Teil der Bewohner die WM und auch die internationalen Gäste näher zu bringen. Ein wichtiger Teil der Idee war daher das Unterkunftsprojekt.

ecke: Wie lief die Vorbereitung des Projekts, seid ihr da auch auf Schwierigkeiten gestoßen?

Schlump: In vielen Gesprächen mit unserem Hauptorganisationsteam habe ich raushören können, dass die Organisation natürlich nicht so reibungslos verlaufen ist, wie man es vielleicht aus England oder Deutschland gewohnt ist. Wir haben zum Beispiel eine Woche lang einer Person hinterhertelefoniert, die jeden Tag versprochen hatte, ein Plakat mit unserem Logo fertigzustellen. Das Plakat haben wir nie bekommen und wir wissen bis heute nicht, was sich die verantwortliche Person dabei gedacht hat. Zudem hatten wir anfänglich Probleme verbindliche Zusagen von Spielern für den Favela World Cup zu bekommen und in den letzten zwei Tagen haben uns dann interessierte Jugendliche quasi die Bude eingerannt. Man muss wirklich immer flexibel bleiben bei der Organisation und einen Plan B und Plan C parat haben.

Alternativer Spielplan des Favela World Cups (Bild: Glenn Mason)

Alternativer Spielplan des Favela World Cups (Bild: Glenn Mason)

ecke: Haben alle Spieler des Turniers in der Favela übernachtet?

Schlump: Ja, alle internationalen Fans, die am Favela World Cup teilgenommen haben, haben auch eine Unterkunft – für 65 Reais (ca. 20 Euro), mit Verpflegung 80 Reais (ca. 25 Euro) – bei einer Familie in der Favela gehabt. Das Projekt läuft noch bis zum Ende der WM und falls es noch Kurzentschlossene gibt: Man kann uns auch über Airbnb finden.

ecke: Verbindet ihr den Favela World Cup auch mit der offiziellen WM?

Schlump: In jedem Haus läuft den ganzen Tag der Fernseher und wir haben auch, wenn es ging, jedes Spiel im Wohnzimmer von unserer sehr herzlichen Gastfamilie geguckt. In diesen Häusern ist immer viel Verkehr, weil sich immer jemand in der Küche und im Wohnzimmer aufhält, zum Beispiel die verschiedenen Generationen der Familie. Außerdem hatten wir als speziellen Preis, sowohl für den Torschützenkönig als auch für den besten Spieler des Favela World Cups, ein Ticket für das Spiel Deutschland gegen Portugal.

ecke: Wer sind die Spieler und wie habt ihr sei ausgewählt?

Schlump: Die Spieler kommen größtenteils aus der Favela Odina, in der wir auch gewohnt haben. Die Teams haben unsere Hauptorganisatoren Jack Reynolds und Paul Kell mehr oder weniger durchs Zufallsprinzip zusammengewürfelt. Eine wichtige Voraussetzung war jedoch, dass pro Team mindestens ein internationaler Fan und eine Frau gespielt haben. Insgesamt haben acht Teams teilgenommen. Eines für jedes Land, das während der WM Spiele in Salvador austrägt. Am Ende hat das »Team Bosnien« im Elfmeterschießen gegen »Team Holland« gewonnen.

Die zusammengewürfelten Nationalmannschaften lieferten sich intensive Duelle (Bild: Glenn Mason)

Die zusammengewürfelten Nationalmannschaften lieferten sich intensive Duelle (Bild: Glenn Mason)

ecke: Seid ihr zufrieden mit der Veranstaltung?

Schlump: Ja. Das Feedback war überwältigend und ich glaube, dass wirklich alle Beteiligten einen einzigartigen Tag verlebt haben. Am Turniertag selber hatten wir vier Kamerateams von verschiedenen Kanälen vor Ort, die durch die sozialen Medien oder über unseren Freundes- und Bekanntenkreis von uns erfahren hatten. Im Anschluss des Favela World Cup haben wir noch ein Samba-Fest in unserem Viertel organisiert und man hat bei allen Teilnehmern ein Funkeln in den Augen sehen können.

ecke: Gab es während der Zeit in Salvador ein Schlüsselerlebnis für dich?

Schlump: Die Gastfreundschaft der Leute in der Favela war sehr besonders. Es hat sich für mich schon nach einem Tag so angefühlt, als wäre ich seit vier Monaten Teil der Familie und der Favela-Gemeinschaft.